In 80 Tagen um die Welt

Der 1873 erstmals erschienene Abenteuer- und Reiseroman „Die Reise um die Erde in 80 Tagen“ von Jules Verne ist Ausgangspunkt einer aufregenden Wettreise durch Welten und Kulturen in der Inszenierung von Kammertänzer Gregor Seyffert.

Der reiche exzentrische Engländer Phileas Fogg wettet am 2. Oktober 1872 in seinem Club in London, die Welt in 80 Tagen umrunden zu können und pünktlich am 21. Dezember um 21.00 Uhr zurück im Club zu sein. Er bricht sofort mit seinem Diener Passepartout auf, doch auf Grund der überstürzten Abreise gerät er in Verdacht, ein gesuchter Bankräuber von 55.000 Pfund Sterling zu sein. Fix, ein eifriger Detektiv von Scotland Yard, heftet sich an seine Fersen und ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt…

Die an spannenden, überraschenden Wendungen reich gespickte Geschichte ist Vorlage für eine visuell und tänzerisch aufwändig in Szene gesetzte Bühnenaufführung. Die Reise per Eisenbahn, Postdampfer, Frachter, Boot und gelegentlich auf Elefantenrücken, die Erzählung der Abenteuer der kleinen Reisegruppe mit ihren gänzlich gegensätzlichen Charakteren im Stile einer Kriminalstory, lassen die Sehnsucht nach Abenteuer und Freiheit in an die Stummfilmzeit erinnernden Bildern visuell auferstehen.

Die Premiere fand am 10.04. 2009 im Anhaltischen Theater Dessau statt.

Konzept, Choreografie, Regie Kammertänzer Gregor Seyffert
Bühnenbild Jens Hübner, Gregor Seyffert
Digital Arts greenfeed
Kostüme Gabriele Kortmann
Filmproduktion HTWK Leipzig
Musik Karl Jenkins, Boris Blacher, Leroy Anderson, Dominick Argento, Frank Bridge, Elena Kats-Chernin, Aaron Copland, Wojciech Kilar, Gustav Holst, Kurt Schwertsik, B. & Z. Poledouris

Musikfolge „In 80 Tagen um die Welt

Vorspiel „Beginn, Einlass Zuschauer“ – Elena Kats-Chernin, CD „Ragtime & Blue“, Titel „Alexander Rag“ Piano (Live) Vorspiel „1. Dialog“ – Elena Kats-Chernin, CD „Ragtime & Blue“, Titel „Get Well Rag“

  1. Piano (Live) „Einbau Studio“ – Frank Bridge, Titel „The Turtle’s Retort“
  2. „Bankraub“ – Elena Kats-Chernin, CD „Clocks“, Titel „IV. Satz“ Piano (Live) „2. Dialog“ – Elena Kats-Chernin, CD „Ragtime & Blue“, Titel „Get Well Rag“
  3. „Herren im Club“ – Kurt Schwertsik, CD „Irdische Klänge“, Titel „Mit den Riesenstiefeln op. 60“
  4. „Auftritt Fogg“ – Boris Blacher, CD „Chiarina“, Titel „I. Promenade“
  5. „Wette“ – Kurt Schwertsik, CD „Irdische Klänge“, Titel „Mit den Riesenstiefeln op. 60“
  6. „Film Nr. 1“ – Karl Jenkins, CD „Ragtime & Blue“, Titel „Dance Vivace“
    Piano (Live) „3. Dialog“ – Elena Kats-Chernin, CD „Ragtime & Blue“, „Suburban Rag“
  7. „Indien|Aufmarsch Tempelszene“ – B. & Z. Poledouris, CD „Conan The Barbarian“, Titel „The Orgy“
    „Indien|Scheiterhaufen“ – Gustav Holst, CD „The Perfect Fool“, Titel „Dance of Spirits of Fire“
    „Indien|Fogg, Aouda, Passepartout“ – Karl Jenkins, CD „The Armed Man“, Titel „Benedictus“
    „Indien|Fogg, Aouda, Passepartout“ – Dominick Argento, CD „The Armed Man“, Titel „Valse Triste“
  8. „Film Nr. 2“ – Gustav Holst, CD „St. Paul’s Suite“, Titel „Jig: Vivace“
  9. „4. Dialog“ – Elena Kats-Chernin, CD „Ragtime & Blue“, Piano (live) „Suburban Rag“
  10. „Pause + Ballonfahrt“ – Wojciech Kilar, CD „Wojciech Kilar feat. „, 3 Titel „Grande valse“
  11. „Einlass (nach der Pause) + 5. Dialog“ – Elena Kats-Chernin, CD „Ragtime & Blue“, Piano (live) „Suburban Rag“
  12. „Schlägerei incl. 6. Dialog | Film Nr. 3“ – Karl Jenkins, CD „Quirk“, Titel „Vamp Latino“
  13. „Zugfahrt – Indianer inkl. 7. Dialog“ – Karl Jenkins, CD „Quirk“, Titel „Chasing The Goose“
    „Marterpfahl“ – Aaron Copland, CD „Rodeo“, Titel „Hoedown“
  14. „8. Dialog + Film Nr. 4“ – Elena Kats-Chernin, CD „Ragtime & Blue“, Titel „Cocktail Rag“
  15. „Schneebild|Schneehasen“ – Karl Jenkins, CD „Quirk“, Titel „Over The Stone“
    „Schneebild|Eissegelschiff“ – Karl Jenkins, CD „Quirk“, Titel „Somnium Aeternum (Eternal Dream)“
  16. „9. Dialog“ – Elena Kats-Chernin, CD „Ragtime & Blue“, Piano (live) „Alexander Rag“
  17. „Überfahrt “ – Karl Jenkins, CD „Quirk“, Titel „Quirk“
  18. „Verhaftung inkl. Film Nr. 5“ – Gustav Holst, CD „The Perfect Fool“, Titel „Introduction – Dance of Spirits of Earth“
  19. „Wette verloren + Hochzeit“ – Karl Jenkins, CD „Quirk“, Titel „La Folia“
  20. „Wette verloren + Hochzeit inkl. Film Nr. 6“ – Karl Jenkins, CD „Quirk“, Titel „La Folia“
  21. „Im Club II“ – Kurt Schwertsik, CD „Irdische Klänge“, Titel „Mit den Riesenstiefeln op. 60“
    „Wette gewonnen“ – Boris Blacher, CD „Chiarina“, Titel „I. Promenade“
    21b. „Finale“ – Leroy Anderson, CD „Blue Tango“, Titel „Fiddle Faddle“
  22. „Abbau Filmset – die Crew verlässt das Theater“ – Frank Bridge, Piano (live) „The Turtle’s Retort

Interview mit Gregor Seyffert, Regisseur, Choreograph und Darsteller des „Passepartout“ der Produktion „In 80 Tagen um die Welt“

Prof. Dr. Strabel: Herr Seyffert, die Überschrift zu Ihrer neuesten Produktion lautet „In 80 Tagen um die Welt“, die Unterzeile „Eine Abenteuerreise von Gregor Seyffert nach Jules Verne“. Kein Verweis auf eine Ballett- oder Tanzaufführung. Ist das Programm?

Gregor Seyffert: Mit dem Begriff ‚Abenteuerreise’ assoziiert sich für mich nicht nur Entdeckerreisen rund um den Globus, sondern auch das Abenteuer der Entdeckungen im Theater selbst. Die Verbindung und Verschmelzung der unterschiedlichsten Sparten macht die Theaterarbeit für mich so reizvoll. Eigentlich müsste ich ein neues Genre definieren, um den Einsatz von Tanz, Musik, Sprache, Stummfilm zusammenzufassen, was wiederum nur eine neue, einseitige Begriffsfestlegung zur Folge hätte. Vielleicht könnte man die Arbeit mit ‚Tanz Film Musical’ am besten umschreiben.

Prof. Dr. Strabel: Sie erwähnen Film, wie kann man sich das vorstellen; werden hier Szenen gezeigt, die man auf Grund der großen geographischen und kulturellen Entfernungen im Stoff gar nicht im Theater glaubhaft transportieren kann?

Gregor Seyffert: Dies ist nicht der Grund, obwohl uns Film sicher hilft, eine schnelle Brücke zu einem anderen Ort oder einer anderen Zeit zu schlagen, ohne den Apparat des Theaters zu überfordern. Die Sehgewohnheiten haben sich zudem sehr verändert und es gibt durch das Kino ein gewisses Selbstverständnis neuen Medien und digitalen Bilderwelten gegenüber. Mich interessierte aber vorrangig der Aspekt, wie ich eine Geschichte, in dem Fall die des Romans „In 80 Tagen um die Welt“ erzählen kann, ohne eine bloße Bebilderung des Textes zu vollziehen. Dafür fand ich eine Rahmenhandlung, in der eine Filmcrew den Stoff sozusagen im Theater verfilmt. Dies eröffnete mir völlig neue Handlungsebenen und Konfliktfelder, die dem Zuschauer eine fiktive, innere Welt des Theaters und des Filmes präsentieren. Zumal ich damit relativ zeitlos agieren kann und nicht ausschließlich in den zeitlichen Vorgaben des Romans verhaftet bin. Mit der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig unter der Leitung von Prof. Wutka habe ich glücklicherweise einen kompetenten Partner gefunden, der mir diese Filmarbeit ermöglichte.

Prof. Dr. Strabel: Sie versuchen also, den Zuschauer gleich auf mehrere Reisen mit zu nehmen. Wie sehr interessiert Sie, den Besucher gut zu unterhalten?

Gregor Seyffert: Der Begriff ‚Unterhaltung’ meint in diesem Zusammenhang für mich, eine Tür zu öffnen, durch die ich meine Gäste bitte hindurchzutreten, um sich auf etwas Neues einzulassen. Wenn ich die Menschen erreichen will, brauche ich neben einer Botschaft, die Mittel, es auszudrücken und zum Gefühl der Menschen durchzudringen. Ich möchte meine Gäste verführen, mit mir an diesem Abend einen kurzen Moment lang, denselben Weg zu bestreiten. Nur bei einem schönen Spaziergang ist auch gegenseitiger Austausch möglich. In diesem intimen Moment kann ich mich und meine Ideen einbringen. Mir ist wichtig, dass die Zuschauer meine Geschichten atmen, riechen und schmecken können und etwas Sinnliches erleben, was sie berührt.

Prof. Dr. Strabel: Was besonders Ausdruck in dem umfangreichen Rahmenprogramm findet: Literarisch-kulinarische Zeitreise vor und nach der Aufführung; eine ganz reale Ballonfahrt über Dessau in der Pause, Kostproben im Foyer, ein Kaleidoskop an Eindrücken während der Aufführung... Ein Mammutprogramm!

Gregor Seyffert: Dies ist für mich keine Frage der Quantität, sondern des Gesamtkunst-werkes, welches ich meinen Gästen näher bringen möchte. Das beginnt mit der Anfahrt zum Theater, dem ersten Eindruck beim Betreten des Theatervorplatzes, geht über die Gestaltung einer konsequenten Werbelinie, bis hin zur Atmosphäre im gesamten Haus und endet hoffentlich erst Tage später, wenn der eine oder andere den Abend mit einer DVD des ‚Making Off’ zur Aufführung noch einmal zu Hause Revue passieren lässt.

Prof. Dr. Strabel: Das klingt sehr danach, eigene Ideen auch entsprechend zu vermarkten. Ihre Konzepte deuten immer darauf hin, dass die Inszenierung und die darüber entfachte Kommunikation in dem beschriebenen ganzheitlichen Theatererlebnis und als Marke wahrgenommen werden soll. Ist das erklärte Absicht?

Gregor Seyffert: Absolut. Wenn man jemanden zu Weihnachten oder zum Geburtstag ein Geschenk machen möchte, geht man ja auch nicht zum Betreffenden und sagt, ‚Ich habe vor, Dir dies und jenes zu schenken, hier ist Geld, hol’s Dir da oder dort ab.’ Ich suche zum Geschenk ein schönes, passendes Geschenkpapier, mache eine große Schleife darum und schreibe vielleicht noch ein paar liebe Zeilen. Und das, weil es mir wichtig ist. Weil ich die Person mag. Und ich tue das auch im Theater, weil ich Gäste zu mir einlade. Und als Gastgeber präsentiere ich mich entsprechend. Wenn die Besucher dann bei mir sind und zuhören, kann ich meine Gedanken und Empfindungen weitergeben. Ohne Besucher keine Inhalte, die weitergegeben werden können, ohne Inhalte kein Theater. Das dieses Prinzip gut funktioniert, haben die vergangenen Jahre der Gregor Seyffert Compagnie am Anhaltischen Theater gezeigt: Über 100.000 Besucher in 5 Jahren; eine Auslastung bei 90%; 80% der Vorstellungen der letzten beiden Jahre waren ausverkauft. Die Besucher honorieren die Ernsthaftigkeit, mit der ich mich um sie bemüht habe.

Prof. Dr. Strabel: Nun verliert Dessau Sie und Ihre Compagnie leider mit dem Ende dieser Spielzeit. Verliert Sachsen-Anhalt und die Region Sie damit endgültig? Wie sehen Ihre Planungen aus?

Gregor Seyffert: Ich weiß es sehr zu schätzen, was wir durch die Unterstützung vieler Menschen in den letzten Jahren in Dessau und der Region Anhalt aufbauen konnten. Ich habe die Menschen hier sehr lieben gelernt, die Zusammenarbeit war für mich äußerst inspirierend und von großem Engagement geprägt. Gerade das Zusammenwirken mit Johannes Felsenstein, der als Generalintendant das Haus leider Ende der Spielzeit verlässt, erlaubte mir eine große künstlerische Freiheit, das erfolgreiche Konzept des Erlebnistheaters zu verwirklichen. Wir haben zahlreiche neue Besucher für das Theater gewinnen können; viele Gäste haben die Aufführungen mehrfach gesehen; es gibt eine sehr große, treue Zuschauerschar. Dies einfach wegwerfen und vergessen kann und will ich nicht. Da es darüber hinaus interessierte Partner gibt, führen wir momentan intensive Gespräche, um in der Region und im Land Sachsen-Anhalt präsent zu bleiben. Die genaue Darstellung der Vorhaben werden wir im Sommer 2009 geben können. Im Herbst 2009 werde ich zunächst die Inszenierung „Menschensohn“ an der Theater & Philharmonie Thüringen in Gera herausbringen, bevor ich dann ab Dezember 2009 mit dem in Dessau erarbeiteten Repertoire auf Gastspieltournee gehen werde. Mein Ziel ist es dabei auch, eine Zusammenarbeit mit den Tänzern der Gregor Seyffert Compagnie Dessau, die maßgeblich am Erfolg der hier geleisteten Arbeit beteiligt waren und ohne die diese schönen, erfolgreichen Jahre nicht möglich gewesen wäre, fortzuführen. Darauf freue ich mich besonders.

Prof. Dr. Strabel: Herr Seyffert, ich bedanke mich herzlich für dieses Gespräch.

Das Interview führte Prof. Dr. Ralf Stabel, Tanzwissenschaftler