Über das Marionettentheater

Heinrich von Kleists Novelle „Über das Marionettentheater“ beweist auf philosophische Weise, dass die Technik einer Puppe dem Menschen in vielerlei Hinsicht überlegen ist und die Seele des Tänzers unkontrollierte Bewegungsmuster zum Ausdruck bringt, welche der Puppe nur schwerlich gelingen (können) oder nur als Eindruck aus ihrer Körpermitte wiedergegeben werden. Der „emotionale Ausdruck“ der Puppe ist bereits überhöht, weil sie von Menschenhand geführt wird und sich ohne eigenes Bewusstsein bewegt. Wegen seiner mit vielen Manierismen und Äußerlichkeiten behafteten Tanztechnik, erreicht der Tänzer nicht den ästhetischen Grad der künstlerischen Verallgemeinerung der Puppe, sowenig wie deren natürliche Grazie.

Das Theater bietet die Chance, die Möglichkeiten der menschlich-künstlerischen und künstlich-technischen Behauptungen der Kleistschen Erzählung differenziert auszuloten. Was kann der Mensch, was kann die Technik? Dies scheint um so gegebener und lebendiger, als die zunehmende Technisierung unserer Welt ein Kernproblem unserer Zeit geworden ist und sich bei sinngebenden Fragen in den Vordergrund drängt: Gentechnik schafft „bessere“ Menschen, Computer können „Viren“ bekommen, Roboter ersetzen menschliche Arbeit usw.

Es geht uns in unserer Arbeit um Zusammenhänge und Unterschiede wie Mensch – Technik, Psyche – Emotion, Moral – Mechanik, Absicht – Ausdruck. Letztlich wird durch die seelische und rationale Balance des Menschen im Umgang mit der Technik unsere Zukunft entschieden.

Heinrich von Kleist hat in seinen Dramen idealisierte Frauenfiguren geschaffen. In unserem Stück soll das Symbol der Sinnlichkeit, eine Frau als „typisches Klischee aus männlicher Sicht“, sich den männlichen Figuren ironisch nähern und sie mit diesem Idealbild konfrontieren. Mensch und Technik spielen miteinander bis daraus ein Gegeneinander wird, das nach einem Sieger sucht.

Unser „Über das Marionettentheater“ ist ein Dialog zwischen einem Tänzer und einem „Maschinisten“ über Körper und Seele, Freiheit und Befangenheit und die Frage nach dem Verlust der Unschuld: Warum wurden wir aus dem Paradies vertrieben?

Dietmar und Gregor Seyffert

 

„So findet sich auch, wenn die Erkenntnis gleichsam durch ein Unendliches gegangen ist, die Grazie wieder ein; so, daß sie, zu gleicher Zeit, in demjenigen menschlichen Körperbau am reinsten erscheint, der entweder gar keins, oder ein unendliches Bewußtsein hat, d.h. in dem Gliedermann oder in dem Gott. Mithin, sagte ich ein wenig zerstreut, müßten wir wieder von dem Baum der Erkenntnis essen, um in den Stand der Unschuld zurückzufallen?“
Heinrich von Kleist

 

Choreografie / Regie Dietmar Seyffert
Komponist Jens Kuphal
Darsteller „Marionette“ Gregor Seyffert
Weitere Darsteller Andrea Hell, Heike Keller, Heidrun Warmuth, Atif Hussein, Ingo Mewes, Peter Lutz